Verschenkter Strom

Ein Bericht von Georg Ismar und Peter Lessmann, dpa (Ende Dez. 2012)

Deutschland verschenkt Strom

Netze: Weil teilweise zu viel Energie vorhanden ist, müssen Kraftwerke zahlen, um diese loszuwerden

Berlin/Bonn  Deutschland hätte ein Problem, wenn jetzt auch noch die acht Atomkraftwerke laufen würden, die nach der Katastrophe von Fukushima stillgelegt worden sind. Denn der massive Ausbau von Wind- und Solarenergie macht das Land zum Exportmeister beim Strom. 2012 wurden so viele Mengen ins Ausland transportiert, wie noch nie – rund 23 Milliarden Kilowattstunden, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mitteilte. Das entspricht der Jahresproduktion von über zwei Kernkraftwerken. Mehrfach wurde sogar Strom in das Ausland verschenkt oder die Abnahme zusätzlich mit einem bonus bedacht, damit das Netz nicht kollabierte.

Die Situation ist paradox: Während Industrie und Energiekonzerne wiederholt vor Blackouts gewarnt hatten, war bisher bis auf wenige, kritische Ausnahmen zu viel statt zu wenig Strom im Netz. Das fördert das Phänomen negativer Strompreise. Am ersten Weihnachtsfeiertag wurden um 4 Uhr für die Stromabnahme 220 Euro pro Megawattstunde gezahlt, damit der zu viel produzierte Strom abgenommen wurde. Bis zu 9200 Megawatt wurden in das Ausland transportiert.

Im Laufe des vergangenen Jahres registrierte die europäische Strombörse EPEX Spot an 15 Tagen solche negativen Strompreise. „Dabei trifft eine hohe Produktion, meist aus Winderzeugung, auf eine sehr niedrige Nachfrage“, sagte Jonathan Fasel von der EPEX. Das war Weihnachten der Fall.

Der deutsche Markt sei in der Lage gewesen, die großen Mengen aus Wind- und Sonnenenergie aufzunehmen, beteuert Fasel. Dennoch war die Situation an Weihnachten außergewöhnlich: Der Verbrauch lag am ersten Feiertag bei 35000 bis 47000 Megawatt in der Spitze. Das ist etwa die Hälfte der Menge, die an sehr kalten Wintertagen verbraucht w3ird. Rainer Baake, Direktor der Berliner Denkfabrik Agora Energiewenden, betont mit blick auf Weihnachten: „Der konventionelle Kraftwerkspark hätte seine Leistung anpassen müssen. Da dies nicht geschehen ist, kam es zu negativer Strompreisen.“

Kraftwerksbetreiber mussten daher sogar Geld bezahlen, um ihren Strom loszuwerden. „Die Abnehmer, insbesondere auch in den Niederlanden, haben sich gefreut“, betont Baake. Ein Problem ist, dass gerade Kohle- und Atomkraftwerke nur bedingt herauf- und runtergefahren werden können. Daher werden als Ergänzung zu immer mehr Wind- und Solarstrom hochflexible Gaskraftwerke gebraucht. Doch gerade diese lohnen sich derzeit kaum: Wegen eines Verfalls bei den CO2-Vrschmutungsrechten werden sie neben Ökostrom auch on einen steigenden Kohlestromanteil zunehmend aus dem Markt gedrängt.

Ein Verlierer an Weihnachten war der Verbraucher. Für ihn steigt die Ökostrom-Umlage, sinkende Einkaufspreise kommen dagegen kaum an. Denn die auf den Strompreis aufgeschlagene Abgab e berechnet such aus der Differenz zwischen dem erzielten Marktpreis und der festen Einspeisevergütung. Baake schätzt, dass die Umlage durch die Negativpreise an Weihnachten mit 28 Millionen Euro mehr belastet wurde. Aber auch für die Erzeuger war Weihnachten nicht unbedingt ein Fest der Freude. Baake: “Die deutsche Kraftwerkswirtschaft hat in diesen Tagen viel Geld verbrannt.“

Dazu passe eine Meldung in der Allgäuer Zeitung vom 28.01.2013
Bericht der dpa

Obwohl Solaranlagen bei der aktuellen Wetterlage deutlich weniger Strom produzieren als im Sommer und auch vergleichsweise wenig Windenergie erzeugt wird, sind größere Stromaufgälle in diesem Winter bislang ausgeblieben. „Insgesamt ist die Situation beherrschbar“, sagt eine Sprecherin der Bundesnetzagentur.

Im Zuge der Energiewende nimmt der Anteil klimafreundlichen Stroms an der Gesamtproduktion immer weiter zu. Die Menge an  Wind- und Sonnenenergie schwankt allerdings sehr stark. Experten fordern deshalb mehr herkömmliche Kraftwerke als Sicherheit. In diesem Winter wurden die zur Verfügung stehenden Reserven allderdings noch kaum gebraucht. (dpa)